#16

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 09.06.2012 00:47
von Fritz7 • 687 Beiträge

Hallo Azad,

Zitat von Tarantoga

ein Aspekt ist mir noch eingefallen, der in der röm.-kath. Kirche ausgeprägter ist, als in unserer evangelischen Kirche:
der Blick über den Tellerrand, die Solidarität mit anderen Christen / Kirchen weltweit und damit verbunden auch eine Relativierung des eigenen "Tellers" über dessen Rand gesehen wird. Manchmal denk ich, die Gemeinden oder Landeskirchen hätten einige Probleme weniger, wenn sie sich nicht nur um sich selbst drehen würden.

Zitat von Azad

Rein dogmatisch betrachtet ist die katholische Kirche äußerst selbstgenügsam. Sie ist die einzig wahre Kirche, alle anderen sind Schismatiker oder Häretiker. Daß der orthodoxen Kirche zugestanden wird, Kirche zu sein, ist für mein Empfinden nicht ganz konsequent.
Die evangelische Kirche dagegen ist eigentlich eine Kirche, die selbstbewußt damit umgehen können müßte, daß sie die Wahrheit nicht für sich gepachtet hat. Nach eigenem Verständnis ist sie eine Kirche des Dialogs, denn was Kirche auszeichnet, definiert sie (s. CA VII) rein empirisch. Wo also die wahre Kirche endet, kann nur gemeinsam mit denen geklärt werden, von denen man zum Zeitpunkt des Gesprächs noch nicht weiß, ob sie wirklich außerhalb stehen. Evangelische Kirche kann also nur dann Kirche sein, wenn sie bereit ist, dazuzulernen.


Also, ich hab Tarantoga etwas anders verstanden, mehr Solidarität/ Lastenteilung zwischen katholischen Gemeinden weltweit. Nicht mit anderen sog. "religiösen Gemeinschaften".

Für mich eigentlich logisch, weil sich katholische Kirche selbst eigentlich als einheitlich weltweit versteht, von oben nach unten zentralistisch vom Vatikan gesteuert, während sich ev. Kirchengemeinden eher selbst als Nukleus von Kirche empfinden und den Oberbau mehr als lästiges Übel und von daher bisweilen sehr eigennützig und unsolidarisch scheinen. Da kann es für Spenden wichtig sein, dass sie ganz in und für eigene Gemeinde bleiben. Dazu kommt vielleicht noch als Einflussgröße deer viel geringere Einfluss der Laiengremien, z.B. der Pfarrgemeinderäte. Noch heute habe ich in einem Gespräch mit einem katholischen Theologen gelernt, wie den Pfarrgemeinden nach dem 2. Vatikanum erst das selbständige Kümmern um eigene Bedürfnisse eingetrichtert werden musste.

Zitat von Azad
Ach, und nochmal zu den Heiligen: Zu deren Verehrung wurde ja weiter oben irgendwo ein wenig Befremden geäußert. Vor allem steckt dahinter doch die Idee, daß die Gemeinschaft der Gläubigen den Tod überdauert. Das war schon das Lebensgefühl in den römischen Katakomben (also den dortigen Friedhöfen, wo man zum Gottesdienst zusammenkam), und das ist bei Katholiken und Orthodoxen seither prägend für das Verständnis von Kirchengemeinschaft gewesen.

Kann es sein, dass da eine ziemliche Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis, zwischen Lehre und Volksfrömmigkeit klafft? Dass sich Protestanten eher an anscheinender Anbetung und spezieller Gottesnähe/ Einfluss auf Gott seitens der kirchlichen Heiligen stoßen, als an Verehrung und Respekt gegenüber weisen Alten oder Vorfahren oder der Gemeinschaft über den Tod hinaus ...?
Wenn ich so manche Auswüchse des Lutherkults auch in heutigen Tagen bedenke, dann hat das auch einige Ähnlichkeit mit populistischer Heiligenanbetung und Glorifizierung. Protestantisch wird mir regelmäßig übel bei solch undistanziertem Personenkult. Was wird da bis 2017 noch zu ertragen sein ... von beamteter "Lutherbotschafterin", kirchlicher Touristik, Devotionalienkommerz und anderem ...

Ich würde Tarantogas Bedenken gegen zuviel Egoismus protestantischer Kirchgemeinden/ Kirchenkreise/ Dekanate oder Landeskirchen zustimmen. Entsolidarisierung oder "Rette sich selbst wer kann" macht (auch ev.) Kirchen unglaubwürdiger ...
Aber ob da gerade von kath. Kirche zu lernen ist, bezweifele ich.

Mal unterstellt, ich hab nicht total missverstanden ...

Fritz


Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Stanisław Jerzy Lec)
Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts! (Bischof Jacques Gailot, Diözese Partenia)
Jesus ist nicht gekommen, die Menschen frommer zu machen, sondern die Frommen menschlicher! (Paul M. Zulehner)
Altes Brot ist nicht hart, gar kein Brot - das ist hart!

zuletzt bearbeitet 09.06.2012 00:50 | nach oben springen

#17

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 12.06.2012 07:42
von azad • 103 Beiträge

Hallo Fritz,

also, das hier:

Zitat
ein Aspekt ist mir noch eingefallen, der in der röm.-kath. Kirche ausgeprägter ist, als in unserer evangelischen Kirche:
der Blick über den Tellerrand, die Solidarität mit anderen Christen / Kirchen weltweit und damit verbunden auch eine Relativierung des eigenen "Tellers" über dessen Rand gesehen wird.


hatte ich durchaus im ökumenischen Sinne verstanden, d.h. der Plural "Kirchen" nicht im Sinne von "römisch-katholische Gemeinden", sondern "Konfessionen".

Zitat
Für mich eigentlich logisch, weil sich katholische Kirche selbst eigentlich als einheitlich weltweit versteht


Im Grunde ist das ja auch logisch, ebenso logisch wie man zunächst unterstellen würde, daß evangelische Gemeinden anderen Konfessionen oder auch Religionen gegenüber offener eingestellt sind.

Aber das ist eben nur die Theorie. In der Praxis geht es zu wie in dem von mir angesprochenen Gleichnis: Alle tun so ziemlich das Gegenteil von dem, was sie sagen. Lieber sind mir da immer noch diejenigen, die zwar selbstgenügsam auftreten, dann aber doch solidarisch und auf gleicher Augenhöhe mit den anderen handeln, als diejenigen, die sich liberal und offen geben und diese Position auch begründen können, dann aber in der Praxis alle diese schönen Möglichkeiten brach liegen lassen.

Zitat
während sich ev. Kirchengemeinden eher selbst als Nukleus von Kirche empfinden und den Oberbau mehr als lästiges Übel und von daher bisweilen sehr eigennützig und unsolidarisch scheinen. Da kann es für Spenden wichtig sein, dass sie ganz in und für eigene Gemeinde bleiben.


Das erlebe ich ähnlich. Aber ich lebe ja auch im Rheinland, wo genau wie in Westfalen die presbyterial-synodale Kirchenordnung als das zentrale Merkmal landeskirchlicher Identität gilt. Eigentlich eine sinnvolle Sache und ganz auf der Linie evangelischen Kirchenverständnisses, wo ja die Gemeinde tatsächlich der Nukleus bzw. Inbegriff von Kirche ist und alles andere nur Überbau, der häufig gern mehr sein will und dadurch zum lästigen Übel wird.

Die Kehrseite dieser Verfassung ist dann aber leider die Umsetzung dieser theologischen Grundlage in die wirtschaftliche Praxis. Ein großer Teil der Kirchensteuern verbleibt in der Gemeinde, so daß Gemeinden in neueren Stadtvierteln mit vielen zugezogenen Akademikern eben Glück gehabt haben, während die Kirche vor allem auf dem Land regelrecht ausblutet. Es gibt zwar eine Umlagefinanzierung für diese Gemeinden, aber die ist meiner Meinung nach viel zu gering.

Hinzu kommt, daß sich Spenden steuermindernd und damit auch kirchensteuermindernd auswirken. D.h. daß eine Spende an die eigene Gemeinde dem gemeinsamen Topf zusätzliche Mittel entzieht.

Ich habe keine Ahnung, wie das in der katholischen Kirche geregelt ist, aber vielleicht kann uns ja jemand von den hier vertretenen Fachleuten schlauer machen.

Gruß
azad


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#18

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 12.06.2012 12:01
von Fritz7 • 687 Beiträge

Zitat von Azad
Ein großer Teil der Kirchensteuern verbleibt in der Gemeinde, so daß Gemeinden in neueren Stadtvierteln mit vielen zugezogenen Akademikern eben Glück gehabt haben, während die Kirche vor allem auf dem Land regelrecht ausblutet. Es gibt zwar eine Umlagefinanzierung für diese Gemeinden, aber die ist meiner Meinung nach viel zu gering.

Das wäre für mich allerdings systemkonstitutiert innerkirchliche Entsolidarisierung auf die Spitze getrieben ... noch über mangelhaften Lastenausgleich zwischen reichen und armen Landeskirchen hinaus ...
Meine Frage: Ist das wirklich so, auch in anderen Landeskirchen? Wie erfährt Kirche überhaupt von der exakten Steuerleistung der Mitglieder oder Staat von der exakten Gemeindezuordnung der Steuerzahler, auch da, wo sie von der regulären Ortkirchenzuordnung abweicht durch Ummeldung? Das wäre doch Voraussetzung für die Möglichkeit der Steuerverteilung nach Leistung auf Kirchengemeinden.

Ich frag mal bei meiner westfälischen EKvW, ob oder wann verwertbare Antwort zu erwarten ist, weiß ich auch nicht ... Ich bin nun mal nur Otto-Normal-Mitglied ... und genaues zu Kirchensteuer eh tabuisiert.

Fritz


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#19

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 13.06.2012 00:36
von A. Clarenbach • 348 Beiträge

Ich frage mich dann, wie es in meiner Gemeinde (NRW) möglich ist, einen 4 Millionen teuren Umbau (das sind nur die im Voraus geschätzten Kosten), zum Teil zur Verkleinerung der Kirche zu stemmen. Die Gemeinde befindet sich in einem Stadtteil, in dem immer weniger Christen leben und von denen, die noch hier leben, dürften die meisten nicht zu den Großverdienern zählen.

Andrerseits habe ich im eher ländlichen Bereich eine alte Kirche besucht, für deren Erhalt ein Verein gegründet werden musste und zusätzlich Gelder vom Land fließen, um zu verhindern, dass die Kirche verfällt (Holzwurm, Wasserschäden durch undichtes Dach, in der Folge Schimmel etc.). Dieses Beispiel unterstützt natürlich das, was du, Azad, schreibst.

Ein interessantes Thema. Aber wie du schon richtig andeutest, Fritz, kein Thema, bei dem sich die Kirche um Transparenz bemüht. Das erschwert die Recherche.

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#20

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 13.06.2012 07:28
von azad • 103 Beiträge

Zitat
Andrerseits habe ich im eher ländlichen Bereich eine alte Kirche besucht, für deren Erhalt ein Verein gegründet werden musste und zusätzlich Gelder vom Land fließen, um zu verhindern, dass die Kirche verfällt (Holzwurm, Wasserschäden durch undichtes Dach, in der Folge Schimmel etc.).


Kommt mir merkwürdig bekannt vor. In unserer Kirche ist vor ein paar Jahren ein buntes, künstlerisch gestaltetes Kirchenfenster eingebaut worden. Aus meiner Sicht eine völlig überflüssige Maßnahme. Vorher war es schöner, und einen ordentlichen Batzen Geld hat das Projekt auch noch verschlungen. Allerdings war so ein Fenster bereits beim Bau der Kirche vor ca. 20 Jahren vorgesehen gewesen, und die Umsetzung erfolgte erst später.

Trotzdem: Die erforderlichen Mittel mußten erst einmal im Presbyterium durchgewunken werden. Ursprünglich war vorgesehen gewesen, die Hälfte aus dem Gemeindeetat aufzubringen, die andere Hälfte durch Spenden. Für Investitionen dieser Art und Höhe ist laut Kirchen eine Gemeindeversammlung vorgeschrieben. Über diese Versammlung ist Protokoll zu führen, und das Presbyterium entscheidet dann auf der Grundlage dieses Protokolls über die Investition.

Die Versammlung fand fünf Tage vor der Presbyteriumssitzung statt, auf der das Projekt beschlossen werden sollte. Es gab noch diverse andere Themen, und eine mir sehr verbundene Presbyterin hatte große Schwierigkeiten, dafür zu sorgen, daß das Kirchenfenster überhaupt auf die Tagesordnung der Gemeindeversammlung kam. Dort wurde die Sache dann sehr kontrovers diskutiert, aber wie längst vorgesehen fünf Tage später vom Presbyterium beschlossen.

Das nahm ich zum Anlaß, dem Superintendenten einen Brief zu schreiben. Dazu wollte ich mich auch auf das Versammlungsprotokoll beziehen und bat die Gemeindesekretärin um Einsicht. Sie beschied mich, es gebe kein Protokoll. Das habe es noch nie gegeben, und es sei auch gar nicht vorgeschrieben. Daraufhin verwies ich auf die entsprechende Bestimmung in der Kirchenordnung, beendete das Gespräch und schrieb meinen Brief an den Superintendenten. Als ich eine Stunde später im Gemeindebüro auftauchte, um dort eine Kopie des Schreibens abzugeben (wie es sich m.E. gehört), traf ich dort den Pfarrer an, der mir in Aussicht stellte, das Protokoll werde umgehend erstellt.

Das Projekt verzögerte sich um ein halbes Jahr, weil der Superintendent zuvor noch einer Sitzung des Presbyteriums beiwohnen wollte und so schnell keinen Termin freihatte. Seitdem gibt es diverse Honoratioren in der Gemeinde, bei denen ich nach wie vor nicht wohl gelitten bin.

Während sich all dies zutrug, verfiel das zweite Gemeindehaus unserer Gemeinde zusehends. Man muß nämlich wissen, daß wir uns über 17 Dörfer verteilen. Es gibt zwei Kirchen: hier im Ort ein modernes Gemeindezentrum und ein paar Dörfer weiter eine alte, von zugewanderten Hugenotten errichtete Kirche mit angeschlossenem Gemeindehaus. Besagtes Dorf gehört nicht zu unserer Stadt, sondern zur völlig verarmten und heruntergekommenen Nachbarkommune. Es gibt also innerhalb der Gemeinde ein erhebliches Sozialgefälle. Mit dem Geld, das unser sündhaft teures Kirchenfenster verschlungen hat, hätte man das Gemeindehaus unserer minderbemittelten Schwestern und Brüder solide sanieren können.

Aber was beklage ich mich? Ich bin ja in den vergangenen anderthalb Jahren außer an Heiligabend bloß einmal zum Gottesdienst gegangen.

Gruß
azad


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#21

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 14.06.2012 14:01
von Tarantoga • 413 Beiträge

Hallo Fritz, Azad, Andrea und wens noch interessiert,

also ich versuch mal ne Antwort für die Kirchensteuerfrage, aber nur für Sachsen, in anderen Landeskirchen kenne ich mich nicht aus.
Die Kirchensteuer wird über das Finanzamt eingezogen und beträgt 9 % der Einkommenssteuer. Hier in Sachsen zahlen nur ca 1/3 der Kirchenmitglieder Kirchensteuer (weil 2/3 garkeine Einkommensteuer zahlen und somit auch keine Kirchensteuer). Diese wird vom Finanzamt an die Landeskirche weitergegeben. (Der Weg über das Finanzamt war nach der Wende sehr in der Kritik, ist aber lt. Aussage der Verantwortlichen der preiswerteste Weg.) Die Kirchenzugehörigkeit wird auf der Steuerkarte vermerkt und auch über das Einwohnermeldeamt weitergegeben.
Von den gesamten Steuereinnahmen werden 60 % an die Kirchgemeinden weitergegeben, 20 % für die Arbeit der Kirchenbezirke weitergeleitet und 20 % verbleiben bei der (zentralen) Landeskirche für landeskirchliche Aufgeben.
Errechnet wird es indem die Gesamtsumme entsprechend geteilt wird, z. B. die 60 % nochmal durch die Gesamtmitgliederzahl der Landeskirche geteilt wird (da kommt man dann so auf 11,38 € pro Mitglied), dann wird die Zahl der Gemeindemitglieder von Musterdorf genommen (1000 "Seelen") und mit der errechneten Zahl multipliziert. So bekommt Musterdorf eine jährliche Kirchensteuerzuweisung von 11380 Euro. Diese Zahlen werden jedes Jahr neu errechnet.
Unabhängig davon bittet jede Kirchgemeinde die Mitglieder um eine Ortskirchensteuer (Kirchgeld), die zu 100 % in der Ortskirchgemeinde verbleibt. Sie ist ein unverzichtbarer Teil der Finanzierung des kirchlichen Lebens vor Ort (allein die Heizkosten würden die Gottesdienstkollekten "auffressen"). Die Ortskirchensteuer richtet sich nach dem Nettoeinkommen, sie wird nach einem Vorschlag der Landeskirche vom Kirchenvorstand beschlossen und mit der Staffelliste in einem Bittschreiben an die Kirchenmitglieder versendet. Diese setzen die Höhe ihrer Ortskirchensteuer selbst fest (woher soll denn die Kirchkanzlei wissen, wer wieviel Einkommen hat). Die Bereitschaft Ortskirchensteuer zu zahlen ist auf dem Land wohl größer als in der Stadt und bei der älteren Generation deutlich höher.

Gruß
Tarantoga


Wer die Kirche vermarkten will, muß die Botschaft vom Kreuz ins Kleingedruckte schreiben.
(Axel Noack)

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#22

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 14.06.2012 14:16
von azad • 103 Beiträge

Danke, Tarantoga, für die Einblicke in das Verfahren in Sachsen. Für das Rheinland will ich als Info nachliefern, was die EKIR auf ihren Webseiten mitteilt:

"Kirchensteuerhoheit bei den Gemeinden - das ist eine Besonderheit der rheinischen Kirche. Damit auch übergemeindliche Aufgaben sicher erfüllt werden können, geben die rheinischen Gemeinden rund ein Zehntel ihrer Kirchensteuereinnahmen an die Landeskirche. Genauer: 10,25 Prozent beträgt diese so genannte landeskirchliche Umlage."


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#23

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 14.06.2012 14:46
von Tarantoga • 413 Beiträge

Hallo Azad, Fritz und Andrea,

Azad, mir ging es in o. g. Äußerung nicht um dogmatische Richtigkeiten, sondern eher um das, was ich in Gemeinden vor Ort erlebe, also Praxis (wenn man das so sagen will). Ich hatte dabei auch, aber nicht nur den finanziellen Aspkt im Blick.
Wenn ich mir all die Gemeindeaufbauprojekte, Glaubenskurse und Reformpläne vor Augen führe, dann sind die doch sehr individualisiert, Gemeindezentriert und gehen in ihrem Denken kaum über die landeskirchlichen, nie aber über die deutschen Grenzen hinaus. Der Kirchturm hier ist aber eben nicht der Nabel der Welt! Ein gesundes Selbstbewußtsein hat auch die anderen im Blick.
Im Finanziellen macht sich das nur noch einmal "fassbarer" deutlich. Was du, Azad, über das Kirchenfenster erzählst, oder du Andrea von der Millioneninvestition, das sollte mal theologisch reflektiert werden. Wenn ich da mal so auf die Schnelle an das Gemeindebild vom Hausbau denke, scheint es, als würden wir eifrig die Fassade herichten und auf der Rückseite fällt das Dach ein. Potjomkinsche Kirche?

Gruß
Tarantoga

PS. zu den Heiligen, auch wenn ich mich im Abendmahl in der Gemeinschaft auch mit den Generationen vor mir fühle, dann heißt das doch nicht, daß ich deren Namen oder Verdienste kenne, oder daß ich sie in irgendeiner Weise verehren muß.


Wer die Kirche vermarkten will, muß die Botschaft vom Kreuz ins Kleingedruckte schreiben.
(Axel Noack)

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#24

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 14.06.2012 16:25
von azad • 103 Beiträge

Zitat
auch wenn ich mich im Abendmahl in der Gemeinschaft auch mit den Generationen vor mir fühle, dann heißt das doch nicht, daß ich deren Namen oder Verdienste kenne, oder daß ich sie in irgendeiner Weise verehren muß.


Sehe ich ähnlich, wenn auch vielleicht aus etwas anderen Gründen. Oben schrieb ich ja schon, daß die Heiligen möglicherweise gar nicht unbedingt darauf aus sind, verehrt zu werden, und sich trotzdem diskret einmischen. Und dann ist wohl auch noch nicht mal sicher, ob es sich dabei auch immer um die offiziell kanonisierten Personen handelt oder ob nicht Hinz und Kunz ihre Finger im Spiel haben. Aber ich muß ja auch nicht alles wissen.

Übrigens: Wenn meine orthodoxen Freunde von den Heiligen erzählen, hört sich das immer ein wenig so an, als hätten sie mit denen eben gerade noch beim Ouzo gesessen. Ist mir irgendwie sehr sympathisch.


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#25

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 15.06.2012 19:56
von A. Clarenbach • 348 Beiträge

Hallo Tarantoga,

Zitat Diese wird vom Finanzamt an die Landeskirche weitergegeben. (Der Weg über das Finanzamt war nach der Wende sehr in der Kritik, ist aber lt. Aussage der Verantwortlichen der preiswerteste Weg.)


Ja, so ist es wohl bundesweit und weltweit einmalig. Die Kirchen dürften hier einiges einsparen, indem sie die Kirchensteuereinzug auf den Staat abwälzen.

Von dieser Ortskirchensteuer höre ich zum ersten Mal. Wieder etwas dazugelernt. Ich habe ein Buch zum Thema Kirchensteuer, nicht einmal in diesem Buch ist die Ortskirchensteuer erwähnt.

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#26

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 15.06.2012 20:42
von Fritz7 • 687 Beiträge

Ortskirchensteuer heißt bisweilen auch (freiwilliges?) Kirchgeld ... Im Prinzip in allen Landeskirchen möglich ...
Ich habe 1968 während meiner Lehre im hannoverschen Gebiet auch Kirchgeld abgezogen bekommen ... bei 120 DM mon. Bar-Lohn.
Später wurde das wohl wegen der Schwierigkeiten beim gerechten Einzug und der immer reichlicher (Wirtschafts- oder Wohlstandswunder !!) sprudelnden Landeskirchensteuer (auch von 10% auf 9-8% gesenkt und für Großzahler zusätzlich gekappt auf 3-3,5 % des Einkommens) abgeschafft. Vor einigen Jahren hier und da neu eingeführt ... weils Geld immer öfter knapp wird ... gerade in ärmeren Gemeinden. Problematisch finde ich die Entsolidarisierungseffekte, bei Kirchgeld gibts keinerlei Lastenausgleich, nicht innerkirchlich, schon gar nicht EKD-weit oder global.

Der staatliche Steuereinzug für die Kirchen hat imho auch erhebliche Nachteile für die Kirchen: Keine eigene Mitgliederverwaltung mit erheblicher Unkenntnis und reichlich Verzögerungen z.B. bei Information über Kirchenaustritten. Welche andere Groß-Institution ließe sich das Mitgliedsregister aus der Hand nehmen von Dienstleistern, denen nur Einzelaspekte (Beiträge) interessieren? Wenn versteckte staatliche Unterstützung wichtiger ist als eigene Leistungsfähigkeit und Unabhängigkeit, könnte man diese Sponsorung wohl auch anders ablösen ... Jede Partei, Gewerkschaft, Verein schafft das ...


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zuletzt bearbeitet 15.06.2012 20:51 | nach oben springen

#27

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 16.06.2012 08:03
von KrakauTS • 38 Beiträge

Zitat

Ich habe keine Ahnung, wie das in der katholischen Kirche geregelt ist, aber vielleicht kann uns ja jemand von den hier vertretenen Fachleuten schlauer machen.



Hallo azad,
wie das in D geregelt ist weiß ich nicht, aber bei uns in Polen - wo es keine Kirchensteuer gibt - hängt viel davon ab, welchen kirchenrechtlichen Status eine Gemeinde hat. Eine reguläre Ortspfarrei hat einen bestimmten Betrag aufzubringen, der an die erzbischöfliche Kurie zu zahlen ist. Irreguläre Gemeinden sind davon ausgenommen. Alle weiteren Einnahmen verwaltet der Ortspfarrer, er ist der Gemeinde keine Rechenschaft schuldig. Wenn er angibt wofür eine Kollekte gesammelt wird, so geschieht das frewillig und ist völlig unverbindlich. Eine Transparenz gibt es nicht.

Gruß Thomas


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#28

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 16.06.2012 21:26
von Fritz7 • 687 Beiträge

Hallo Krakau,
für mich bisher nicht so wahrgenommen, wie unterschiedlich katholische Kirche auch in ihrem Zentralismus von Land zu Land, von Diözese zu Diözese sein kann. Wirkungen des 2. Vatikanums scheinen in Polen ganz ausgefallen zu sein, mitwirkungstechnisch ...

Klar, auch in Deutschland haben katholische Pfarrer mehr allein zu entscheiden als evangelische, aber es gibt doch fast überall (außer in Müllers Regenburger Kirchenfürstentum) teils sehr selbstbewußte und starke gewählte Pfarrgemeinderäte und Pfarrverwaltungsräte (siehe Wikipedia/ Kathpedia), die sich das Haushaltrecht kaum mehr nehmen lassen vom Ortspfarrer.

Zur Kirchensteuerverteilung kath. siehe hier und Folgeseiten: http://www.katholisch.de/34332.html
Für mich interssant, dass auch katholisch nur ca. 2,5% der Kirchensteuereinnahmen für Weltkirche und Mission übrig bleibt.

Ja, es gibt zusätzlich noch div. Geisterhaushalte, wie evangelisch auch, die ihrerseits Auslandsarbeit machen: Werke, Orden, Kommunitäten, kirchliche Firmen ..., die normalerweise nicht so im Blickfeld sind ...

Fritz


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#29

RE: Gibt es Elemente des katholischen Glaubens, die euch als Protestanten ansprechen?

in Ökumene: Fragen, Antworten, Gedanken 19.06.2012 17:19
von JmE • 204 Beiträge

Moin ihrs,
nun bin ich wieder mal zu Hause und habe Zeit hier hinein zu gucken.

Zitat
zu erzkatholisch: Ich glaube nicht, dass JmE den Ausdruck abwertend benutzt hat und ja, ich habe schon öfter gesagt: "Ich bin erzprotestantisch".



Das Emsland ist Jahrhunderte fast rein katholisch gewesen. Nach der Reformation wurde durch den damals zuständigen Bischof von Köln, Münster. Hildesheim, Lüttich und Paderborn, Ferdinand von Bayern, 1612 der Katholizismus wieder verpflichtend. 1613 holte er die Jesuiten ins Emsland, die ab 1638 dort sesshaft und tätig waren. Die Jesuiten saßen in Meppen, dort her stammt meine Familie ursprünglich. Mein Vater wurde 1926 im Emsland geboren, da war das Emsland immer noch sehr katholisch. Sein Großonkel war katholischer Pastor. Wenn eine Familie so geprägt ist über fast dreihundert Jahre kann ich sie wohl als "erzkatholisch" bezeichnen, besonders wenn es meine eigene ist. Das ist von mir liebevoll gemeint und im Sinne von "beständig" oder "beharrlich". Bei meinen Vorfahren der mütterlichen Seite sieht es als "kölsche Famillisch" auch kaum anders aus. Sie hatten ja nie eine wirkliche Chance die Reformation zu erleben, da der Bischof fast immer der gleiche war wie der des Emslandes.
Gerade durch dieses beharrliche, nicht hinterfragte Katholischsein seit Jahrhunderten ist es mir schwer gefallen, dieses loszulassen. Ich hoffe, dass ich euch die Verwendung des Begriffes "erzkatholisch" ein wenig erläutern konnte.
Fröhliche Grüße
JmE :-)


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Mit Geduld und Spucke fängt man jede Mucke!

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