#1

Zunehmende Armut/Tafeln

in Was nicht so recht passen will... 07.06.2014 20:59
von A. Clarenbach • 348 Beiträge

http://www.tagesschau.de/multimedia/video/video-686.html

Da ist mir doch eben vor Schreck der Löffel in die Chilisauce gefallen, als ich beim Sehen der "Tagesschau" hörte, dass Bundesernährungsminister Schmidt die Abschaffung des Mindesthaltbarkeitsdatums forcieren will, um der beständig wachsenden Anzahl der Tafelnutzer zu begegnen.


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#2

RE: Zunehmende Armut/Tafeln

in Was nicht so recht passen will... 09.06.2014 23:51
von Coriander • 334 Beiträge

So hab ich den jetzt nicht verstanden. Auf die Anzahl der Tafelkunden wird das keinen Einfluss haben. Deren Zahl wird steigen, Minister hin oder her. Die Einschränkung beim MHD könnte allenfalls die Menge der gespendeten Lebensmittel weiter reduzieren und damit die Arbeit der Tafeln erschweren. Glaube ich aber auch nicht. Denn:

Der Gedanke, nicht alles sofort wegzuwerfen, was sich dem MHD nähert http://tinyurl.com/pc5wnzv, ist als solcher ja nicht falsch. Nun war der Mann nur ein paar Sekunden lang zu sehen und zu hören, und so kann man dem Beitrag nicht wirklich entnehmen, was er denkt, inwiefern es hilfreich sein könnte, wenn Lebensmittel verbilligt abgegeben werden könnten, die heute noch weggeschmissen werden. Wie verbilligt, an wen, auf welcher Schiene, unter welchen Bedingungen? Falls die Idee sein sollte, dass Tafelkunden nun auch Lebensmittel erhalten könnten, die nach derzeit noch gültigen Vorschriften vernichtet werden müssten, so wäre das zwar nicht weiter schädlich, da es um lange haltbare Sachen geht; aber es wird kaum funktionieren.

Es hat doch kein Supermarkt die Nudeln so lange im Regal liegen, dass sie auch nur annähernd an das mutmaßliche Verfallsdatum herankommen, für das das MHD von vielen Verbrauchern ja gehalten wird. Das betrifft, wenn überhaupt, eher den privaten Vorratsschrank und muss dann mit ziemlich viel Aufklärung einhergehen.

Und mit den Tafeln, mit der Verteilung des Reichtums, mit ungerechten Löhnen, mit wachsender Armut hat das MHD rein gar nichts zu tun. Da profiliert sich ein gut ernährter Minister mit irgendwelchen Sprüchen, die an den eigentlichen Problemen weit vorbeigehen.

Eine große deutsche Wochenzeitung hat in ihrer Online-Ausgabe täglich einen sogenannten Wissenstest. Frage von heute:
"Die private Altersvorsorge scheint die Absicherung für Besserverdienende im Alter zu sein. Wie viel staatliche Rente und andere Transferzahlungen bezieht das reichste Zehntel der Bevölkerung dennoch?"
(_) unter 10% des Einkommens
(_) rund 20% des Einkommens
(_) über 30% des Einkommens

Raten Sie mal. Richtig. Über 30%. (Da ist Kindergeld dabei und alles sowas.)

Anscheinend ist aber das reichste Zehntel dennoch nicht in der Lage, anständige Löhne zu zahlen, so dass der Steuerzahler (wer ist das überhaupt noch??) nicht nur am oberen Ende, sondern auch am unteren drauflegen darf, in Gestalt von "Hartz IV" für Aufstocker beispielsweise, die dann bei der Tafel einkaufen dürfen.

Angesichts dieser Lage ist das Gequatsche über Mindesthaltbarkeitsdaten völlig am Thema vorbei. Sechs. Setzen.

Cor.


Das sind die wahren Wunder der Technik, dass sie das, wofür sie entschädigt, auch wirklich kaputt macht. (Karl Kraus)

zuletzt bearbeitet 09.06.2014 23:55 | nach oben springen

#3

RE: Zunehmende Armut/Tafeln

in Was nicht so recht passen will... 11.06.2014 22:10
von kein Name angegeben • ( Gast )
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Hallo Coriander,

ja, der Gedanke nichts unnötig zu verschwenden ist nicht per se verkehrt. Fast erinnert das an unsere Diskussion mit der "Pferdefleisch-Lasagne" (wobei da ja der Vorschlag kam, diese Ware gezielt an Bedürftige zu geben, was noch einmal ein besonders starkes Geschmäckle hatte und das ist noch untertrieben). Zu den von dir ausgeführten Fragestellungen, die das Unterfangen des Ministers aufwirft, kommt noch die Frage hinzu, ob das überhaupt von der Masse der Verbraucher gewollt wird.

Und wir sind uns einig darin, dass dieses Vorhaben an den Ursachen für die steigende Zahl der Bedürftigen rein gar nichts ändert. Auch die Tafeln ändern bzw. können daran ja leider nichts ändern.

Dass Menschen Vollzeit arbeiten und trotzdem noch aufstocken müssen und in das Hartz-4-System mit all seinen Implikationen gezwungen werden, ist ein unerträglicher Missstand.

A. Clarenbach

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#4

RE: Zunehmende Armut/Tafeln

in Was nicht so recht passen will... 12.06.2014 19:59
von Coriander • 334 Beiträge

Liebe Andrea,
das sehe ich auch so.

Wir sind als Kirchengemeinde stark in der Tafel engagiert, wir stellen beispielsweise die Räumlichkeiten, und eine Menge Menschen aus der Gemeinde arbeitet dort ehrenamtlich mit. Erst kürzlich mussten wir eine Zwischenlösung zur Erweiterung finden, um auch die Arbeitsbedingungen der Ehrenamtlichen erträglicher zu gestalten.

Wir wissen genau, dass es eine Schande ist, dass so viele Menschen auf die Tafel angewiesen sind. Nur, wenn wir sie dicht machten, würde es niemandem helfen. Aber dass sich das System so eingespielt hat als Dauerprovisorium, das macht Bauchschmerzen. Scheint mir eine politische Aufgabe zu sein, für mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Mindestlohn ist meiner Meinung nach zumindest mal ein Anfang. Wer hätte gedacht, dass wir den mal kriegen.

Gruß,
Coriander


Das sind die wahren Wunder der Technik, dass sie das, wofür sie entschädigt, auch wirklich kaputt macht. (Karl Kraus)

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#5

RE: Zunehmende Armut/Tafeln

in Was nicht so recht passen will... 13.06.2014 19:51
von A. Clarenbach • 348 Beiträge

Hallo Coriander,

toll, dass eure Gemeinde das leistet. Hier bei mir macht das die katholische Kirche auf ähnliche Weise.

Viele Grüße

Andrea


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