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Das Ende der Vergeltung oder eine neue Variante?

in Glaubensgespräche 22.11.2013 18:46
von Fritz7 • 687 Beiträge

Coriander brachte gestern folgenden Link ein: F. Kamphaus: Das Ende der Vergeltung 1982
Darin führt F. Kamphaus einführend ein Statement Solchenizyns und anschließende eigene Überlegungen an:

Zitat
Das Problem
Alexander Solschenizyn erzählt in "Der Archipel GULAG" aus den Straflagern Stalins. Das dichtmaschige Spitzelsystem raubte den Inhaftierten die letzten Freiräume. Erst von dem Augenblick an besserte sich die Situation, als die Spitzel nachts umgebracht wurden. Die Tyrannei der Lagerkommandanten kam ins Schleudern, - durch Gegengewalt! Solschenizyn bemerkt in Anspielung auf die Bergpredigt und auf Mt 26,52: "Den Spitzeln das Messer in die Brust bohren! Messer schmieden und auf Spitzeljagd gehen! - Das ist es!"

... Man darf nichts in der Welt durch Gewalt zu erreichen suchen! Wer zum Schwert, zum Messer, zum Gewehr greift, wird nur zu rasch seinen Henkern und Bedrückern gleich. Und der Gewalt wird kein Ende sein...
Wird kein Ende sein... Hier am Schreibtisch, im warmen, sauberen Arbeitszimmer bin ich völlig einverstanden. Doch wer grundlos zu 25 Jahren Lager verdammt wird, wer seinen Namen verliert und vier Nummern angeheftet bekommt, die Hände immer auf dem Rücken halten muß, jeden Morgen und Abend gefilzt wird, täglich bis zur Erschöpfung robotet..., für den hören sich alle Reden der großen Menschenfreunde wie das Geschwätz satter Spießer an...

Nicht umsonst hat das Volk aus langer Bedrückung die Lehre gezogen: Mit Güte kommt man gegen das Böse nicht an.

Solschenizyn findet mit dem, was er sagt, eine breite Zustimmung: "Wir sind für die Abschaffung des Krieges, wir wollen den Krieg nicht; aber man kann den Krieg nur durch den Krieg abschaffen; wer das Gewehr nicht will, der muß zum Gewehr greifen."



So sehr ich Kamphaus gern zustimme, dass gute ethische Ratschläge aus sicherem bequemen Ort an Menschen in langjährig ununterbrochene Ausnahmesituationen wie rechtloses Untergebrachtsein in sibirischen Straflagern deplaziert sein können,
so sehr möchte ich Solchenizin ins Wort fallen, wenn er verallgemeinernd konstatiert: "man kann den Krieg nur durch den Krieg abschaffen; wer das Gewehr nicht will, der muß zum Gewehr greifen"
NEIN, Krieg war in der Neuzeit noch nie geeignetes Mittel, als letzte Option schlimme Zustände zu beheben, gegen die er anfangs begonnen wurde. Und Gegenkriege konnten das ebenso noch nie bessern, sondern immer nur taugliche diplomatische Lösungen verzögern oder gar verhindern.

Aber: Das GUTE braucht immer alternativlos ganz langem Atem ... und in dieser Spanne leiden und sterben auch Menschen ... Wir werden auch daran schuldig. Keine Ahnung, wie wir aus dem Dilemma rauskommen ...

Dietrich Bonhoeffer formulierte mal das Bild vom "dem Rad in die Speichen greifen" gegen verbrecherische Obrigkeiten - im Kontrast zur lutherischen imho bequemerweise fehlverstandenen Maxime nach dem Römerbrief:

Zitat von Röm 13,1
Jedermann sei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über ihn hat. Denn es ist keine Obrigkeit außer von Gott; wo aber Obrigkeit ist, die ist von Gott angeordnet.

Ganz gewaltlos hat Bonhoeffer seinen Widerstand wohl auch nicht gemeint.

Fritz


Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Stanisław Jerzy Lec)
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Jesus ist nicht gekommen, die Menschen frommer zu machen, sondern die Frommen menschlicher! (Paul M. Zulehner)
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zuletzt bearbeitet 22.11.2013 18:56 | nach oben springen


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