#1

Lots Frau

in Andachten 15.10.2012 13:15
von Tarantoga • 413 Beiträge

"Die beiden Engel kamen am Abend nach Sodom. Lot saß im Stadttor von Sodom. Als er sie sah, erhob er sich, trat auf sie zu, warf sich mit dem Gesicht zur Erde nieder und sagte: Meine Herren, kehrt doch im Haus eures Knechtes ein, bleibt über Nacht und wascht euch die Füße! Am Morgen könnt ihr euren Weg fortsetzen. Er redete ihnen aber solange zu, bis sie mitgingen und bei ihm einkehrten. Er bereitete ihnen ein Mahl, ließ ungesäuerte Brote backen und sie aßen. Die Männer sagten dann zu Lot: Hast du hier noch einen Schwiegersohn, Söhne, Töchter oder sonst jemand in der Stadt? Bring sie weg von diesem Ort! Wir wollen nämlich diesen Ort vernichten; denn schwer ist die Klage, die über die Leute zum Herrn gedrungen ist. Der Herr hat uns geschickt, die Stadt zu vernichten. Da ging Lot hinaus, redete auf seine Schwiegersöhne ein, die seine Töchter heiraten wollten, und sagte: Macht euch auf und verlasst diesen Ort; denn der Herr will die Stadt vernichten. Aber seine Schwiegersöhne meinten, er mache nur Spaß. Als die Morgenröte aufstieg, drängten die Engel Lot zur Eile: Auf, nimm deine Frau und deine beiden Töchter, die hier sind, damit du nicht wegen der Schuld der Stadt hinweggerafft wirst. Da er noch zögerte, fassten die Männer ihn, seine Frau und seine beiden Töchter an der Hand, weil der Herr mit ihm Mitleid hatte, führten ihn hinaus und ließen ihn erst draußen vor der Stadt los. Während er sie hinaus ins Freie führte, sagte er: Bring dich in Sicherheit, es geht um dein Leben. Sieh dich nicht um und bleib in der ganzen Gegend nicht stehen! Rette dich ins Gebirge, sonst wirst du auch weggerafft. Als die Sonne über dem Land aufgegangen und Lot in Zoar angekommen war, ließ der Herr auf Sodom und Gomorra Schwefel und Feuer regnen, vom Herrn, vom Himmel herab. Er vernichtete von Grund auf jene Städte und die ganze Gegend, auch alle Einwohner der Städte und alles, was auf den Feldern wuchs. Als Lots Frau zurückblickte, wurde sie zu einer Salzsäule." (Gen 19,1-26 i. A.)

Lots Frau

Wir wissen nicht einmal ihren Namen.
Sie steht im Hintergund, wenig wird von ihr berichtet, ihre Arbeit wird als selbverständlich gesehen und ist doch unverzichtbar.
Als die Engel als Männer im Hause zu Gast sind, ist sie es, die sie bewirtet.
Auch unser Tun, auch unsere Arbeit wird selten wahrgenommen.

Als der Morgen beginnt wird sie mit ihrem Mann und ihren Töchtern von den Engeln an der Hand genommen und aus der Stadt geführt, um der Zerstörung zu entgehen.
Auch wir haben mitunter die Hand eines Engels gespürt, der und aus der Gefahr führte.

Innerhalb von kürzester Zeit verliert diese Frau alles, was ihr bisheriges Leben ausmachte: Heimat, Freunde, Besitz.
Nur der Mann und die Töchter sind ihr geblieben und eine ungewisse Zukunft.
Auch viele von uns haben erleben müssen, wie das Leben sich plötzlich völlig veränderte.

Diese Frau von Lot blickt zurück auf die Zerstörung, auf das, was sie verloren hat. - und erstarrt.
Darin ist sie uns warnendes Beispiel: denn der Blick zurück zu der „guten alten Zeit“ läßt erstarren und nimmt Zukunft und wirkliches Leben.
Und noch etwas lehrt uns ihr Blick zurück: Wenn wir Gottes Strafe, Gottes Gericht über andere sehen wollen, wird dieses Gericht, diese Strafe auch über uns kommen.

Lots Frau ist mir nahe, als wäre sie eine von uns.

Tarantoga


Wer die Kirche vermarkten will, muß die Botschaft vom Kreuz ins Kleingedruckte schreiben.
(Axel Noack)

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#2

RE: Lots Frau

in Andachten 15.10.2012 23:01
von A. Clarenbach • 348 Beiträge

Hallo Tarantoga,

Ich bin schon einigermaßen fasziniert davon, wie dir hier eine positive Deutung der Geschichte gelingt. (Nicht dass Missverständnisse auftreten, das ist absolut nicht ironisch gemeint). Als Kind fand ich die Geschichte ziemlich gruselig, besonders die zur Salzsäule erstarrte Frau hat mich damals beeindruckt. Aber sie ist ja nicht die einzige Frau, der Schreckliches widerfährt. Zuvor bietet Lot seine beiden ebenfalls namenlosen Töchter feil, um seine Gäste, die Engel, zu retten. Hinterher sind es die Töchter (mal wieder die sündigen Frauen!), die den Vater betrunken machen und zum Sex nötigen. In wenigen Zeilen springt mich da so viel Frauenfeindliches an, dass ich zunächst Schwierigkeiten hatte, mich auf deine Deutung einzulassen. Und ich bekomme es auch schwer aus dem Kopf, dieses frauenfeindliche Setting. Wir erfahren in der Bibel ja leider nicht, warum sich die namenlose Frau Lots umdreht. Trauert sie ihrem zurückgelassenen Besitz und Haus hinterher? Ist es schiere Sensationslust? Oder will sie eher von Mitleid getragen wissen, was ihren ehemaligen Nachbarn, Freunden etc. geschieht? Die Strafe folgt, weil sie ungehorsam war.

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#3

RE: Lots Frau

in Andachten 15.10.2012 23:23
von Tarantoga • 413 Beiträge

Hallo Andrea,

ach, ich versuch doch nur, die Bibel ohne die Brille der traditionellen Deutung zu lesen. Mal gelingt es, mal nicht.
Mal entdecke ich Neues, mal nicht.
Und es hilft da schon auch bei Einer Geschichte zu bleiben und das am Besten mit anderen gemeinsam zu überdenken.
Ein großer Teil der scheinbaren Frauenfeindlichkeit in der Bibel ist traditionelle Auslegung, und steht so garnicht da.
Mit einer anderen Brille gelesen könnte ich die Bibel auch als Männerfeindlich deuten ;-)

Gruß
Tarantoga

P. S. Deine Überlegungen, warum Lots Frau sich umgedreht haben mag sind eine gute Erweiterung, interessant zu lesen.


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(Axel Noack)

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#4

RE: Lots Frau

in Andachten 16.10.2012 13:09
von jzuurmans • 144 Beiträge

Zitat von A. Clarenbach im Beitrag #2
Ich bin schon einigermaßen fasziniert davon, wie dir hier eine positive Deutung der Geschichte gelingt.

Ich auch. Frau Lot war für mich ein Beispiel für einen rücksichtslos strafenden Gott. Einmal falsch umgedreht - zack, Salzsäule! Hat sie verdient. Hätte sie ja nicht tun müssen. Passiert mir das auch, wenn ich mich "falsch umdrehe"?

Danke für diesen Anstoß,
Jan


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#5

RE: Lots Frau

in Andachten 16.10.2012 21:30
von Anna-Maria • 146 Beiträge

Nein, es passiert dir nicht. Gott straft dich nicht. Er hat Jesus zur Vergebung unserer Sünden auf die Welt geschickt und Jesus hat all unsere Schuld auf sich genommen. Jetzt gilt für uns das, was im Neuen Testament verkündet wird, nämlich, dass Gott die Liebe ist und ein Liebender straft nicht.
Aber mir ist es auch schon passiert, dass ich wie zur Salzsäule erstarrt war als ich mich gleichsam umdrehte, also etwas aus der Vergangenheit ansah, wo ich sehr verletzt worden war und was mich eben in dem Moment als ich es erinnerte sehr erschrocken hat. Eigentlich hatte ich es vergessen, wurde dann plötzlich daran erinnert und blieb wie erstarrt, ganz bewegungsunfähig, auf der Stelle stehen. Zwei Tage lang fühlte ich mich krank, so stark war ich erschüttert worden. Aber ich blieb nicht erstarrt: ich sang Gospel und hörte Gospelmusik, die Musik, die von der Befreiuung aus Sklaverei spricht. Und da wurde mir ganz deutlich, dass Gott uns liebt und uns aus Gefangenschaften befreien will. Er will nicht, dass wir leiden, er möchte dass wir ganz frei sind und uns ihm anvertrauen. Er nimmt unsere Last auf sich damit wir leben können.

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