#1

unser Bild von Gemeinde

in Glaubensgespräche - Gemeindebilder 15.04.2012 21:33
von Tarantoga • 413 Beiträge

Hallo Ihr alle,

immer mal wieder beschäftigt mich, welches biblische Bild / welcher biblische Vergleich für Kirchgemeinde mir verbindlich erscheint.
Die biblischen Bilder haben unterschiedliche Schwerpunkte und auch ihre Grenzen. Die Auseinandersetzung mit diesen Bildern und die Frage welches ich (und warum) verinnerlicht habe, hilft vermutlich meine Erwarungen an Gemeinde und Kirche zu verstehen. Vielleicht werden auch Entäuschungen erklärbar, wenn Gemeinde vor Ort einem anderen Bild nachlebt.
Darüber will ich gern mit euch reden, weil sich ja sonst die Gedanken immer im Kreis drehen.
Damit die ganze Diskussion übersichtlich bleibt werde ich in kurzer Zeit für jedes Gemeindebild einen eigenen Threat eröffnen, d. h. für:
Hirt und Herde
Gemeinde als ein Leib, viele Glieder
baut euch als lebendige Steine zum Tempel (Haus) Gottes
Gemeinde als wanderndes Gottesvolk
Christus der Weinstock, wir die Reben

Falls ich ein Gemeindebild übersehen habe, sagt es bitte.
Nun freue ich mich auf eine vielfältige Diskussion.

Gruß
Tarantoga

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#2

RE: unser Bild von Gemeinde

in Glaubensgespräche - Gemeindebilder 19.04.2012 11:42
von Fritz7 • 687 Beiträge

Zitat von Tarantoga
Falls ich ein Gemeindebild übersehen habe, sagt es bitte.


Meinst du nur biblische oder auch andere? z.B. das EG-Regionalteil-Lied : "Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt"? Ich weiß z.Zt. keinen biblischen Ursprung dazu. (zB Bayern/Thür. EG 589 oder Rheinl./Westf./Ref. EG 604

1. Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt,
fährt durch das Meer der Zeit.
Das Ziel, das ihm die Richtung weist,
heißt Gottes Ewigkeit.
Das Schiff, es fährt vom Sturm bedroht
durch Angst, Not und Gefahr,
Verzweiflung, Hoffnung, Kampf und Sieg,
so fährt es Jahr um Jahr.
Und immer wieder fragt man sich:
Wird denn das Schiff bestehn?
Erreicht es wohl das große Ziel?
Wird es nicht untergehn?
Kehrvers
Bleibe bei uns Herr! Bleibe bei uns, Herr,
denn sonst sind wir allein auf der Fahrt durch das Meer.
O bleibe bei uns, Herr!
2. Das Schiff, das sich Gemeinde nennt,
liegt oft im Hafen fest,
weil sichs in Sicherheit und Ruh
bequemer leben läßt.
Man sonnt sich gern im alten Glanz
vergangner Herrlichkeit
und ist doch heute für den Ruf
zur Ausfahrt nicht bereit.
Doch wer Gefahr und Leiden scheut,
erlebt von Gott nicht viel.
Nur wer das Wagnis auf sich nimmt,
erreicht das große Ziel.
Kehrvers nach jeder Strophe wiederholen
3. Im Schiff, das sich Gemeinde nennt,
muß eine Mannschaft sein,
sonst ist man auf der weiten Fahrt
verloren und allein.
Ein jeder stehe, wo er steht,
und tue seine Pflicht;
wenn er sein Teil nicht treu erfüllt,
gelingt das Ganze nicht.
Und was die Mannschaft auf dem Schiff
ganz fest zusammenschweißt
in Glaube, Hoffnung, Zuversicht,
ist Gottes guter Geist.
4. Im Schiff, das sich Gemeinde nennt,
fragt man sich hin und her:
Wie finden wir den rechten Kurs
zur Fahrt im weiten Meer?
Der rät wohl dies, der andre das,
man redet lang und viel
und kommt - kurzsichtig, wie man ist -
nur weiter weg vom Ziel.
Doch da, wo man das Laute flieht
und lieber horcht und schweigt,
bekommt von Gott man ganz gewiß
den rechten Weg gezeigt!
5. Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt,
fährt durch das Meer der Zeit.
Das Ziel, das ihm die Richtung weist,
heißt Gottes Ewigkeit.
Und wenn uns Einsamkeit bedroht,
wenn Angst uns überfällt:
Viel Freunde sind mit unterwegs
auf gleichen Kurs gestellt.
Das gibt uns wieder neuen Mut,
wir sind nicht mehr allein.
So läuft das Schiff nach langer Fahrt
in Gottes Hafen ein!
(Text und Melodie: Martin Gotthard Schneider 1960)


Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Stanisław Jerzy Lec)
Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
Eine Kirche, die nicht dient, dient zu nichts! (Bischof Jacques Gailot, Diözese Partenia)
Jesus ist nicht gekommen, die Menschen frommer zu machen, sondern die Frommen menschlicher! (Paul M. Zulehner)
Altes Brot ist nicht hart, gar kein Brot - das ist hart!

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#3

RE: unser Bild von Gemeinde

in Glaubensgespräche - Gemeindebilder 20.04.2012 10:38
von Tarantoga • 413 Beiträge

Hallo Ihr,

Fritz, ich meinte wirklich erstmal biblische Gemeindebilder, für traditionelle oder neue Gemeindebilder könnte ein Extrathreat aufgemacht werden.

Eine Äußerung von dir, Fritz, hat wiedermal aufstoßen lassen, was seit einiger Zeit gerade in der Beschäftigung mit diesen Gemeindebildern auch an Fragen bei mir auftaucht. Du schreibst (in: ein Leib - viele Glieder):

"Es scheint mir problematisch, dass ALLE Gemeindebilder von den Fachleuten, den Leitenden her gedacht und ausgelegt wurden/ werden und die eher peripheren Gemeindeglieder und ihre Perspektive und Wünsche nirgends vorkommen."

Welche Möglichkeiten werden eröffnet oder verbaut mit den einen oder anderen Bild für Gemeinde im Blick auf:
die Gemeindeglieder am Rande;
Mission, also dem Dazukommen von bis dahin Atheisten;
Ökumene mit anderen Konfessionen, auch Sondergemeinschaften;
starke soziale Unterschiede innerhalb der Gemeinde, oder innerhalb der Kirche.

Das läßt mir die biblischen Bilder nochmal schwerer "deuten".

Gruß
Tarantoga

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#4

RE: unser Bild von Gemeinde

in Glaubensgespräche - Gemeindebilder 22.04.2012 10:40
von Fritz7 • 687 Beiträge

Zitat von Tarantoga
Fritz, ich meinte wirklich erstmal biblische Gemeindebilder

OK!

Zitat von Tarantoga
für traditionelle oder neue Gemeindebilder könnte ein Extrathreat aufgemacht werden

dafür schlage ich schon mal das dynamischere Gemeindebild von "Gastfreundliche Gemeinde als Herberge" (Jan Hendiks) vor.

Dynamik ist auch etwas, das ich bei allen hier bisher diskutierten biblischen Gemeindebilder vermisse, der bewusste Einbau von Veränderung bei Menschen und Strukturen. Heute will sich kaum noch jemand, der nicht beruflich an Kirche gebunden ist, auf alle Zeiten für eine Gemeinde, einen Kreis, ein Arbeitsfeld festlegen (lassen). Für ein Projekt auf eine Kirchengemeinde treffen, sich engagieren und dann weiterziehen. Das passt nicht zu den statischen Vorstellungen von Hirte und Herde, oder Organissmus oder steinerner Bau.

Fritz


Liebet eure Feinde, vielleicht schadet das ihrem Ruf! (Stanisław Jerzy Lec)
Wer will, dass Kirche SO bleibt - will nicht, dass sie bleibt!
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#5

biblische Bilder von Gemeinde

in Glaubensgespräche - Gemeindebilder 24.04.2012 10:48
von Fritz7 • 687 Beiträge

Ein Organisationsprogramm für alles religiöse ist biblisch doch die damalige Idee von der perfekten Familie oder des Haushaltes. Das geht bis zum Gottesreich und der Benamung Gottes als Vater ... Gemeinde/ Bistum wäre dann mittlere Konstrukte nach gleichem Baumuster. Ich kann das nur augenblicklich nicht mit präziser Versangabe in der Bibel belegen.

Eine andere Ableitung wäre nach Deismann das Gottesreich als ironischer Parallelismus zum Staat, konkret zum Röm. Kaiserreich, auch eine Variante des sich Verweigerns, der Freiheitserklärung vom Kaiser als oberste Autorität. Viele christliche Begriffskonstruktionen wären danach der säkularen Herrschaftsnomenklatur nachgebildet. Das dürfte dann auch für die Gemeinde gelten.
Interessanterweise hat Platon schon einige Jahrhunderte vorher den Staat mit dem menschlichen Körpern und seinen Organen verglichen. Das dürfte auch Paulus und den Korinthern geläufig gewesen sein. Ich habe immer mehr Zweifel, dass das Bild von der Gemeinde als Körper mit vielen Organen wirklich unhierarchisch verstanden werden darf und das nicht unhistorische Verfälschung späterer Jahrhunderte mit ganz anderer sozialer Konstruktion wäre.

Fritz


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#6

RE: biblische Bilder von Gemeinde

in Glaubensgespräche - Gemeindebilder 24.04.2012 16:01
von azad • 103 Beiträge

Zitat
Ich habe immer mehr Zweifel, dass das Bild von der Gemeinde als Körper mit vielen Organen wirklich unhierarchisch verstanden werden darf und das nicht unhistorische Verfälschung späterer Jahrhunderte mit ganz anderer sozialer Konstruktion wäre.


Für diesen Verdacht finde ich da ehrlich gesagt keine echten Anhaltspunkte. Paulus hat ja sonst gelegentlich versucht, seine Schäfchen beisammenzuhalten, indem er sie auf seine Person eingeschworen oder unter Christus als Haupt zu scharen versucht hat. Das gilt vor allem für die Richtungsstreitigkeiten in Korinth. Aber noch nicht mal da konstruiert er Hierarchien, und im Zusammenhang mit dem Leib und den Gliedern argumentiert er noch nicht mal ansatzweise in diese Richtung.

Für das erste und z.T. zweite Jh. hat man allgemein auch einen Übergang vom Charisma zum Amt festgestellt. Die pseudopaulinischen und katholischen Briefe zeichnen ja schon ein ganz anderes Gemeindebild und heischen für die Amtsträger sehr viel mehr Autorität.

Ich würde also bis auf weiteres erstmal nicht unterstellen, daß mit diesem Bild Gemeindeglieder diszipliniert und auf die Linie irgendwelcher Amtsträger gebracht werden sollen.


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#7

RE: biblische Bilder von Gemeinde

in Glaubensgespräche - Gemeindebilder 21.05.2012 08:17
von Fritz7 • 687 Beiträge

Hallo azad,

Zitat von fritz7
Zweifel, ob das Bild von der Gemeinde als Körper mit vielen Organen wirklich unhierarchisch verstanden werden darf und das nicht unhistorische Verfälschung späterer Jahrhunderte mit ganz anderer sozialer Konstruktion wäre.


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Zitat von azad
Für diesen Verdacht finde ich da ehrlich gesagt keine echten Anhaltspunkte. Paulus hat ja sonst gelegentlich versucht, seine Schäfchen beisammenzuhalten, indem er sie auf seine Person eingeschworen oder unter Christus als Haupt zu scharen versucht hat. Das gilt vor allem für die Richtungsstreitigkeiten in Korinth. Aber noch nicht mal da konstruiert er Hierarchien, und im Zusammenhang mit dem Leib und den Gliedern argumentiert er noch nicht mal ansatzweise in diese Richtung.



Na, ja, Paulus selbst war als "Zureisender" ja auch seltendst "Hierarchie". Trotzdem scheint er eine gemeindlichen Ämterhierarchie mit besonderen Ansprüchen bei Leitungsämtern das Wort zu reden. Ich unterstelle, dass das bei dem Bildwort vom Leib und Gliedern nicht urplötzlich anders wäre. Und ich unterstelle, dass das allgemeine und medizinische Verständnis im damaligen hellenistischen Raum NICHT gleiche Wichtigkeit ALLER Organe behinhaltet. Bestärkt wird das imho dadurch, dass Christus das Haupt/ der Kopf zugehordnet wird und nicht irgendeine Schwiele am Fuß.
Und ich unterstelle, dass es auch damals schon eine Hierarchie des Redens und schweigenden Zuhörens in den Gemeinden gab. Die Konstruktion der Bilder stammt von den Redenden ...

Fritz


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#8

RE: biblische Bilder von Gemeinde

in Glaubensgespräche - Gemeindebilder 24.05.2012 13:56
von Tarantoga • 413 Beiträge

Hallo Fritz, und Hallo Azad,

irgendwie habt ihr wohl beide recht,
Paulus und die ersten Gemeinden erwarteten ja daß Christus noch zu ihren Lebzeiten wiederkommt und dann wird eh alles anders. Es gab also kein Interesse an irgendwelchen Strukturen, die ein Überleben der Christen in dieser Welt möglich machen.
Daher hat das Gleichnis von dem Leib und den Gliedern vermutlich keine hirarchischen Strukturen im Sinn, sehr wohl aber die unterschiedliche Wichtigkeit einzelner Organe bzw. Gemeinden / Gemeindeglieder (auch damals wurden Organe schamhaft bedeckt).
Mit dem Ausbleiben der Wiederkunft Christi wurden dann in der zweiten Generation auch die Ämter und die Organisation der Gemeinden wichtig.
Wir heute können dieses Gemeindebild wohl nicht mehr so lesen wie die ersten Christen, denn fast 2000 Jahre Auslegungsgeschichte können wir nicht ignorieren. Und wenn gerade Bernd dieses Gleichnis mit der einzig wahren Kirche gleichsetzt und als DAS Gemeindebild sieht, dann ist da wohl auch ne Menge Hierarchie mitgedacht.
Soweit ich es beobachte wird dieses Gleichnis, ebenso wie das von Hirt und Herde, immer dann besonders in den Mittelpunkt gerückt, wenn Gemeinden / Gemeindeglieder diszipliniert werden sollen auf moralisch-geistliche Weise.

Gruß
Tarantoga

P. S. bin erst Pfingstmontag wieder online, euch allen ein schönes Pfingstfest!


Wer die Kirche vermarkten will, muß die Botschaft vom Kreuz ins Kleingedruckte schreiben.
(Axel Noack)

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