#1

Negatives über den Verstorbenen beim Beerdigungsgottesdienst

in Was nicht so recht passen will... 12.04.2013 18:04
von A. Clarenbach • 348 Beiträge

Ich war heute bei einer Beerdigung. Die Verstorbene war jemand, die für ihre spitzen Bemerkungen und auch gewisse bösartige Äußerungen bekannt war. Die Pfarrerin hat in der Trauerrede dies in den Worten zusammengefasst. "Es war nicht immer leicht mit ihr." Insgesamt wurde viel Persönliches angesprochen, was vermutlich daran lag, dass die Verstorbene aktives Gemeindemitglied war. Jetzt im Nachhinein sitze ich hier und mir fällt auf, dass ich noch nie erlebt habe, dass auf einer Beerdigung etwas Negatives über den Verstorbenen gesagt wurde.

Habt ihr so etwas schon mal erlebt? Findet ihr ehrliche Worte richtig oder sollte angesichts des Todes Negatives über den Verstorbenen keinen Platz in der Trauerrede finden? Ich bin mir unschlüssig.


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#2

RE: Negatives über den Verstorbenen beim Beerdigungsgottesdienst

in Was nicht so recht passen will... 12.04.2013 18:18
von Coriander • 334 Beiträge

Doch, hab ich schon erlebt. Also was heißt negativ ... wenn alle Anwesenden wissen, dass die Verstorbene ihr eigenes Temperament hatte und dass es eben "nicht immer leicht mit ihr" war, dann finde ich in Ordnung, das auch auszusprechen; sonst sitzen die Leute da und kriegen ihre Erinnerung nicht überein mit dem, was da erzählt wird. Man kann ja jemanden schätzen, auch den Verlust betrauern und dennoch hat die Erinnerung ihre mehreren Seiten und darf sie auch haben. Mit wem ist es schon immer leicht? Ich kenne eine Pfarrerin, die klammert das Schwierige nicht aus und wird gerade für ihre Trauerreden sehr geschätzt, weil sie es immer mit Respekt und - ja, mit Liebe macht. Wenn man den Menschen dann ganz losgelassen hat, ist es irgendwann auch egal, womit er einen geärgert hat; aber alles zukleistern aus lauter Höflichkeit muss nicht jederzeit richtig sein.
Ich bin sehr froh, dass das nicht mein Job ist
Gruß, Coriander


Das sind die wahren Wunder der Technik, dass sie das, wofür sie entschädigt, auch wirklich kaputt macht. (Karl Kraus)

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#3

RE: Negatives über den Verstorbenen beim Beerdigungsgottesdienst

in Was nicht so recht passen will... 12.04.2013 20:31
von A. Clarenbach • 348 Beiträge

Zitat Coriander. "Ich bin sehr froh, dass das nicht mein Job ist " (Zitatende)

Geht mir auch so. ;-) Zumal mir gerade einfiel, dass auch Menschen kirchlich bestattet werden, die wirklich große Schuld auf sich geladen haben (soweit es uns zusteht, solche Bewertungen auszusprechen). Wie in einem solchen Fall die richtigen Worte finden?

Zurück zu meinem heutigen Erlebnis: Ein Herr, jenseits der 80, der mir beim Leichenschmaus gegenüber saß, meinte: "Die Rede war in Ordnung. Ausgewogen. Genauso war es schließlich."

Trotzdem ungewohnt ...


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#4

RE: Negatives über den Verstorbenen beim Beerdigungsgottesdienst

in Was nicht so recht passen will... 14.04.2013 09:53
von jzuurmans • 144 Beiträge

Zitat von A. Clarenbach
Ich war heute bei einer Beerdigung. Die Verstorbene war jemand, die für ihre spitzen Bemerkungen und auch gewisse bösartige Äußerungen bekannt war. Die Pfarrerin hat in der Trauerrede dies in den Worten zusammengefasst. "Es war nicht immer leicht mit ihr."

Man soll nicht über Leute herziehen, die sich nicht mehr wehren können, das ist der Hintergrund der Regel "Nichts Schlechtes über die Toten".

Man muss aber auch berücksichtigen, dass die Trauergäste zur Beerdigung gekommen sind, um Abschied zu nehmen, d.h. auch, um ihren Frieden mit dem oder der Verstorbenen zu machen. Sie müssen die Gelegenheit bekommen, die Dinge, die vielleicht noch offen sind, zu nehmen und abzuhaken, sie sozusagen hinter dem Sarg her in die Grube zu werfen und eine Schüppe voll Erde draufzukippen.

"Es war nicht immer leicht mit ihr" ist ein Super-Satz, der sowas ganz genau auf den Punkt bringt.
Gruß,
Jan


zuletzt bearbeitet 14.04.2013 09:53 | nach oben springen

#5

RE: Negatives über den Verstorbenen beim Beerdigungsgottesdienst

in Was nicht so recht passen will... 12.05.2013 20:01
von Tarantoga • 413 Beiträge

Hallo Ihr,

Andrea, da habe ich deinen ersten Beitrag gründlich mißverstanden, ich dachte, dir wäre der freundliche Satz nicht deutlich genug gewesen.
Ist ein interessantes Thema, was du da ansprichst.

Zitat von Coriander im Beitrag #2

Ich bin sehr froh, dass das nicht mein Job ist

ochnaja ... meiner wars ja, und Beerdigungen waren immer auch Herausforderungen. (über Tote nichts Schlechtes zu sagen hat übrigens heidnische Wurzeln; man fürchtete die Rache/Strafe der Ahnengeister)
Um bei dem Beispiel hier zu bleiben: es wäre unehrlich gewesen zu sagen, diese Frau wäre allseits beliebt gewesen.
Die Anwesenden hätten sie ja garnicht wiedererkannt ;-). Die Pfarrerin hat da einen guten Satz gefunden.
Nebenbei, achtet mal darauf, was in Trauerpredigten NICHT gesagt wird, das sagt oft auch ne Menge über den Verstorbenen.
Die Erwartungen der Trauergemeinde sind ja auch ganz unterschiedlich, garade auf dem Dorf wo jeder jeden kennt. Die einen gehen hin, "weil man das so macht", andere wollen "nur Gutes" über den Verstorbenen hören und in der Tiefe ihrer Trauer verstanden werden, andere haben noch "ein Hühnchen zu rupfen" und wollen dieses wenigstens andeutungsweise benannt hören, andere sind nur neugierig "was wird se denn draus machen", und irgendjemand ist immer dabei, der meint, ne christliche Beerdigung ist ein Freifahrtschein in den Himmel. Es ist spannend, Leute.

Wie wölltet Ihr denn unter die Erde gebracht werden?
oder anders, wie soll denn die Beerdigung sein von jemanden, der euch am Herzen liegt?

Gruß
Tarantoga

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